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Legitimierte Beeinflussung durch Coaching – ein praktisches Beispiel

Ulrich Krause: Legitimierte Beeinflussung durch Coaching – ein praktisches Beispiel

In seinem Buch „Die Kunst Einfluss zu nehmen in und durch Organisationen“ spricht Lothar Schäffner von vier Aufgaben, in denen Einfluss genommen wird:

  1. Aufbauen-Integrieren (als besondere Form des Aufbauens)
  2. Retten
  3. Optimieren
  4. Veränderungen begleiten( im Sinne von Change-Management bzw. Organisationsentwicklung)

In diesem Beitrag wird der Aspekt des Optimierens herausgegriffen und an einem praktischen Beispiel im Vertrieb eines Unternehmens näher erläutert. Da es auf ein praktisches Handeln fokussiert, d.h. auf die Art und Weise, wie jemand konkret seine Aufgabe ausführt, bietet sich als Bezugsrahmen die Rollentheorie an.

Rollentheorie als theoretischer Bezugsrahmen

Innerhalb von Organisationen sind die Positionen – und damit verbunden Funktionen – in der Regel nicht ausreichend beschrieben. Der Status einer Position ist dagegen häufig sichtbar und offenkundig und teilweise Bestandteil des Arbeitsvertrages (Dienstfahrzeug, Benefits, Gesundheitscheck etc.).

Als Definition für Rolle und Rollenverhalten soll hier Folgendes gelten:

Unter Rolle verstehen wir ein Bündel von Erwartungen an den Rolleninhaber.

Es ist häufig rudimentär durch die Jobdescription für die Position beschrieben. Da dieses nicht hinreichend ist, wird im Laufe der Zeit durch das Auftreten von Konflikten und die damit verbundene Auseinandersetzung zwischen den „Erwartern“ und dem Rolleninhaber das Drehbuch sukzessive fortgeschrieben.

Über die unterschiedlichen Rollen werden somit Positionsinhaber beschrieben und für diese Position charakterisiert. Dahinter steht die jeweilige Verhaltenserwartung, die mit der Rolle und dem Akteur verbunden ist. Sie kann je nach Person, die Erwartung heranträgt, verschieden sein, da Rollen sehr stark mit Erfahrungen und Interpretationen verbunden sind. Die Rollen beschreiben nur einen Ausschnitt der Person und müssen in dem jeweiligen Kontext einer Organisation betrachtet werden.

Für Führungskräfte gilt, dass sehr unterschiedliche Erwartungen an sie herangetragen werden. Sie bilden gleichsam den Schnittpunkt der Erwartungen innerhalb des Unternehmens, z.B. tragen Mitarbeiter andere Erwartungen als der Vorgesetzte oder der Betriebsrat oder aber auch der Kunde. In der jeweiligen Rolle gilt es im kontextuellen Rahmen den Rollenerwartungen gerecht zu werden. Das geht in der Regel nicht ohne Rollenkonflikte einher.

Je detaillierter das Drehbuch für das jeweilige Rollenverhalten geschrieben ist, desto einschätzbarer wird das Verhalten des Rolleninhabers, und das personelle Umfeld mit seinen Erwartungen kann dementsprechend reagieren.

Da in Wirtschaftsorganisationen die Positionen gekennzeichnet sind durch Funktionen, Aufgaben und Tätigkeiten ist der Kontext, in dem diese Rollen wahrgenommen werden gut beschreibbar. In der Regel können die Rolleninhaber entscheiden, ob sie ihre Rolle eher passiv wahrnehmen, das heißt auf Handlungen, denen sie unterworfen sind, zu reagieren. Dieses wird sehr häufig von Unternehmen erwartet, denn das rollenkonforme Verhalten wird belohnt, da jemand seine Position damit ausfüllt. Der Rolleninhaber hat aber gleichzeitig die Gelegenheit, aktiv seine Rolle wahrzunehmen und sie in den Grenzen der Positionsbeschreibung zu beeinflussen. Das heißt, er kann handelnd Situationen, in die er hineinkommt oder hineinkommen wird, beeinflussen. Da die an eine Position geknüpfte Rollenerwartung eine Verhaltensnorm darstellt, die erfüllt werden soll, führt das funktionale Betrachten der Rollen automatisch zu Sanktionsmechanismen innerhalb von Systemen und Organisationen.

Zusammenfassend wird deutlich:

Rollenkonformes Verhalten wird in der Regel belohnt, nonkonformes Verhalten bestraft.

Die Ausgestaltung einer Rolle ist sehr stark abhängig von der Qualifikation und dem Selbstverständnis des Rolleninhabers und seinem Verhandlungsgeschick gegenüber den Erwartungen der Rollenpartner.

Insbesondere Manager mit einer hohen sozialen Kompetenz sind in der Lage, Rollen nach ihren Vorstellungen teilweise zu gestalten und damit neue Wege zu gehen, um Veränderungen in ihren Organisationen herbeizuführen. Je erfolgreicher sie mit den Veränderungen sind, desto eher wird von den „Rollenerwartern“ Zustimmung kommen und er kann auf diese Weise das Verhalten seiner Mitarbeiter beeinflussen. Dazu gehört allerdings, dass das Selbstbild des Rolleninhabers teilweise zur Deckung kommt mit der Rolle. Ist Beides – Selbstbild und Rolle – kaum zu vereinbaren, kommt es in der Wahrnehmung der Partner zu dysfunktionalem Verhalten, was zu Konflikten und Spannungen führt. Je größer die Übereinstimmung zwischen Selbstbild und Rolle ist, desto eher sprechen wir von einer hohen Rollenidentität. Auch dieses ist in der Praxis sehr gut zu beobachten; insbesondere im Top-Management ist zu beobachten, dass Selbstbild und Rolle häufig identisch sind.

Verfestigt sich diese Rolle, wirkt sie teilweise befremdlich, wenn sie in einem anderen Kontext  wahrgenommen wird (z.B. der Arzt, der im Freundeskreis permanent Krankheiten diagnostiziert). Schutz bietet Rollendistanz, denn die ermöglicht es, gleichsam von außen das eigene Rollenverhalten zu beobachten, zu interpretieren und Veränderungen herbeizuführen. Wenn das nicht mehr gelingt und auch kein Partner zur Verfügung steht, der als Prellwand dienen kann, an dem man das eigene Rollenverhalten spiegelt, aber auch erfährt, wie das Rollenverhalten wahrgenommen wird, dann verfestigt sich die spezifische Spielform der Rolle weiter. An dieser Stelle gehen viele Unternehmen einen anderen Weg und stellen den Führungskräften solch einen Partner zur Verfügung.

 

Der Coach als Partner des Rolleninhabers

Mit dem externen Coach für Führungskräfte holt das Unternehmen einen legitimierten. d.h. mit einem konkreten Auftrag versehenen Beeinflusser an die Seite des Rolleninhabers. Da bei geglückter Beeinflussung gleichzeitig mehrere vom Rolleninhaber abhängige Personen beeinflusst werden (häufig in der indirekten Form) ergibt sich eine Multiplikatorenwirkung. Diesen Schritt, mit Hilfe des externen Coaches die Organisation zu optimieren, gehen sehr häufig Manager, die vorausschauend das Unternehmen und sein Umfeld betrachten und Veränderungen, die morgen greifen sollen, schon heute herbeiführen.

Diese Art des Vorgehens bedeutet allerdings auch, dass das bisherige Verhalten teilweise in Frage gestellt wird, – was schwer ist – und gleichzeitig an die Stelle der Fragezeichen neues oder verändertes Verhalten gesetzt und geübt werden muss. Diese Art von Lernprozessen läuft sehr häufig an Grenzen, da auch das eigene Verhalten der Vergangenheit in Frage gestellt wird, was nicht zuletzt zu einem Konflikt führt (war ich denn nicht gut genug?)

Ziehen wir eine differenzierte Betrachtung zwischen Lernen und Beeinflussung heran, so wird eins deutlich – dass das Coaching auf beiden Ebenen arbeitet.

Über Lernen, insbesondere emotionales und kognitives Lernen, werden Impulse gesetzt, um die Zukunft mit Hilfe von Szenarien neu zu gestalten und somit zu Einsichten zu gelangen, wie das eigene Rollenhandeln verändert werden kann. Es dann auch auf die Mitarbeiter zu übertragen, ist ein weiterer Schritt. Parallel dazu beginnt eine Art von Beeinflussung, die durch praktisches Tun gekennzeichnet ist. Dieses praktische Tun hat zwei Dimensionen:

  1. Vormachen und Vorbild sein, ohne darüber zu sprechen; so etwas läuft dann mehr oder weniger unbewusst bei dem Coachee ab.
  2. Beeinflussen durch Miterleben und Feedback für eigenes Verhalten in den typischen Rollensituationen der Führungskraft.

 

Ein praktisches Beispiel für Beeinflussung durch legitimiertes Coaching

Das hier beschriebene Beispiel findet in einem großen Unternehmen in Deutschland statt, das technisches Material verkauft. Hierzu stehen vier Vertriebskanäle zur Verfügung:

  1. Besuch der Kunden durch Außendienstmitarbeiter
  2. Callcenter, in denen der Kunde bestellt
  3. Shops, in denen der Kunde direkt kauft
  4. Bestellung via Internet (durch eine spezielle Kunden-App), in der der Kunde seine Bestellung aufgeben kann.

 

Damit wird deutlich, dass der Außendienstmitarbeiter nur ein Teil (allerdings der wichtigste Teil) des Verkaufs und Vertriebs darstellt.

Der Geschäftsführer für Vertrieb Deutschland hat ein externes Beratungsunternehmen beauftragt, die Gruppenleiter des Außendienstes, die in der Regel 8-10 Außendienstmitarbeiter führen, zu coachen.

Der Hintergrund ist eine Neuorientierung für den Außendienst, da in absehbarer Zukunft durch den virtuellen Marktplatz im Internet und durch die noch nicht so lange existierenden Shops der direkte Umsatz bei den Außendienstmitarbeitern bei den einfachen Artikeln abnehmen wird. Das heißt, der Außendienst muss sich künftig auf Beziehungspflege bei größeren Kunden und auf erklärungsbedürftige Produkte konzentrieren. Darüber hinaus muss er Produktkomponenten zu Problemlösungen zusammenstellen, um Kunden auf diese Art und Weise für deren Geschäft zu beraten. Der Verkauf einzelner Produkte gerät auf diese Art und Weise immer weiter in den Hintergrund. Dieses hat der Geschäftsführer sehr frühzeitig entdeckt und versucht, mit Hilfe externer Coaches das Verhalten seiner Gruppenleiter langsam zu verändern. Die Coaches kommen damit in die Rolle der Beeinflusser, die allerdings einen legitimierten Auftrag haben und daher in voller Transparenz auftreten können. Nach einer intensiven Diskussion mit dem Vertriebschef Deutschland und einem seiner Gebietschefs ist folgendes Konzept für die Beeinflussung entstanden:

 

In einem eintägigen Workshop wird noch einmal zusammengefasst, wie der Verkaufsprozess für die Außendienstmitarbeiter gestaltet ist und welche die wichtigsten Stationen sind, an denen gearbeitet werden sollte. An diesem Workshop haben alle in dem Gebiet tätigen Gruppenleiter teilgenommen. Danach folgte ein zweitägiges Seminar, wo genau an den neuralgischen Punkten des Verkaufsprozesses gearbeitet worden ist, in dem durch Rollenspiele Praxis simuliert wurde.

Diese neuralgischen Punkte sind im Einzelnen:

  1. Telefonische Terminvereinbarung mit Neukunden
  2. Kluger Smalltalk im Kundenerstgespräch
  3. Sammeln von Informationen über den Kunden und sein Geschäft ohne gleich Produkte anzubieten
  4. Vereinbarung eines weiteren Termins mit einem klugen Aufhänger

 

Hierbei wurde schon sichtbar, dass die Verkäufer vor Ort geprägt sind, ihre Auftragsblöcke nach Möglichkeit zu füllen und den Auftrag für Produkte mitzunehmen.

Das im Seminar mit Hilfe von Rollenspielen bearbeitete Verhalten veränderte die bisherige Rolle des Verkäufers in wesentlichen Szenen. Künftig soll er Problemlösungspartner für den Kunden werden.

Dieses führte zu einer völlig neuen Erkenntnis bei den Gruppenleitern der Verkäufer.

Gleichzeitig wurde hier der erste Konflikt sichtbar, denn durchaus haben die Gruppenleiter Ängste, möglicherweise ihren Job zu verlieren, da der Kauf via Internet und Shop zunehmen wird und der Verkauf über den Außendienstmitarbeiter abnimmt. Gleichzeitig liegt mit dem veränderten Rollenverhalten des Verkäufers auch die Chance in der Luft, anders im Markt zu agieren und ihrerseits den Kunden zu beeinflussen, in diesem Unternehmen Problemlösungen zu kaufen und nicht nur einzelne Produkte.

 

Im dritten Schritt haben die Gruppenleiter Coaching im Umgang mit Kunden erlebt. Das ist notwendig, da Ernst gemacht werden soll mit einer veränderten Rolle des Gruppenleiters. Diese Rolle heißt „der Vorgesetzte ist Coach seiner Mitarbeiter“, denn die Führungskraft hat die Aufgabe, die Mitarbeiter permanent weiter zu entwickeln.

Nur wer die Dinge aus eigenem Erleben beherrscht – so ist die Annahme – kann auch selbständig für die Entwicklung seiner Mitarbeiter sorgen.

Das Coaching der Gruppenleiter begann mit der gemeinsamen Erstellung (Coach und Gruppenleiter) eines Gesprächsleitfadens, um im telefonischen Erstkontakt Termine mit Neukunden zu vereinbaren. Nach jedem Telefonat gab es ein ausführliches Feedback mit anschließender Diskussion und Reflexion des erlebten Telefonates. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem Entwicklungsplan (Coachingpass) festgehalten.

 

Im weiteren Schritt wurden die Gruppenleiter im Direktgespräch mit dem Kunden gecoacht. Dieses Treffen wurde gemeinsam zwischen Coach und Gruppenleiter vorbereitet und dann durchgeführt. Nach dem Besuch gab es ein persönliches Feedback für den Gruppenleiter und eine gemeinsame Reflexion, die dem Herausarbeiten anderer Möglichkeiten zur Beeinflussung des Kunden hinsichtlich seines Kaufverhaltens diente.

Diese gewonnenen Erkenntnisse des Gruppenleiters sollte dieser übertragen in sein Coachingverhalten gegenüber seinen Mitarbeitern. Dazu gab es eine Zeitspanne, das neue Verhalten im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern auszuprobieren.

 

Es folgte dann der vierte Schritt.

Er beinhaltete Beobachtung und Coaching des Gruppenleiters beim Coaching seines Mitarbeiters (Coach the Coach).

Die Prozessstufen, die durchlaufen wurden sind die gleichen, die der Gruppenleiter durchlaufen hat. Nach jedem dieser Prozessstufen gab es dann ein Feedback und eine intensive Reflexion. Der ganze Coachingprozess mit den Gruppenleitern wurde so getaktet, dass jeweils ein halber Tag Coaching stattfand, um so viele unterschiedliche Situationen, in denen die unterschiedlichen Rollen sichtbar geworden sind, zu erleben. Nach den Coachings gab es für jeden Gruppenleiter eine intensive Auseinandersetzung über seine Lern- und Veränderungsfelder, in denen er sein Verhalten verändern sollte. Das führte teilweise zu Irritationen bei den Verkäufern, da diese plötzlich feststellten, dass ihr Chef ein verändertes Rollenverhalten zeigte. Andererseits geriet der Chef in Rollenkonflikte, denn er musste jeweils unterscheiden zwischen den drei Rollen, in denen er gleichzeitig für andere sichtbar wurde. Diese drei Rollen sind:

  1. Verkäufer
  2. Vorgesetzter
  3. Coach des Außendienstmitarbeiters

 

Dieses hatte zur Folge, dass auch die Gruppenleiter in einigen Situationen unterschiedliche Rollen einnahmen, z. B. im Kundengespräch plötzlich als Verkäufer auftraten und das Verkaufsgespräch an sich genommen haben. Dieses Verhalten löste häufig Irritationen bei den Mitarbeitern aus. Die einzige Lösung, um diese Konflikte zu mildern – auflösen kann man sie nicht – liegt darin, dass eine sehr hohe Transparenz hergestellt wird. Dieses ist auch notwendig gegenüber dem Kunden, der in der letzten Stufe drei Personen zu einem Verkaufsgespräch bei sich hatte, wobei zwei Personen eigentlich nichts getan haben als zu beobachten (und nett zu lächeln). Bei einigen Kunden führte das auch zu Irritationen, da das bisher so noch nicht passiert war (obwohl die meisten Kunden es locker akzeptiert haben) und Leute dort saßen, die sich Notizen machten. Das hatte allerdings auch eine weitere Beeinflussung, dass der Kunde das Gefühl hatte, er wird sehr wichtig genommen, denn die Gespräche

  • dauerten in der Regel länger,
  • waren intensiver und
  • es wurden während des Gespräches Notizen angefertigt.

 

Erfahrungen mit dem Konzept zur Beeinflussung

Wie in vielen Projekten, die gestartet werden, sind auch hier zwei sehr unterschiedliche Verhaltensweisen bei den Beeinflussten wahrzunehmen. Insbesondere schwächere bzw. ältere Mitarbeiter haben sich geweigert, veränderten Rollen zu folgen. Da von Anfang an Transparenz hergestellt wurde, wurde auch deutlich, dass einige Mitarbeiter sich nicht verändern wollten, insbesondere, da sie bisher von einer Einbuße im Geschäftsgebaren nichts feststellen konnten. Dieses ist insbesondere bei älteren Mitarbeitern zu beobachten gewesen. Das hatte allerdings auch Konsequenzen hinsichtlich der Personalauswahl, denn insgesamt sind drei Mitarbeiter durch Pensionierung oder Austausch nicht mehr in ihren Positionen.

Gerade bei aufstrebenden jüngeren Mitarbeitern, deren bisheriges Rollenverhalten noch nicht so stark festgelegt ist und die ihrerseits von dem Willen beseelt sind, aktiv ihre Rolle zu gestalten, wurde deutlich, dass sie den Veränderungen folgen möchten. Allerdings ist bei einigen durchaus ein Zweifel vorhanden, ob sie von ihrer Qualifikation und Potenzial in der Lage sind, die neuen Rollen wahrzunehmen, denn schließlich geht es auch darum, ein adäquater Gesprächspartner für Unternehmer zu sein, um deren Probleme kennenzulernen und um möglicherweise Hilfen im Material- und Werkzeugeinsatz anzubieten.

Möglicherweise muss über den Optimierungsansatz hinaus noch ein weiterer Ansatz folgen. Bisher ist für den Veränderungsprozess der personale Ansatz verfolgt worden. Das heißt, bisher wurde angesetzt an der Qualifizierung und dem Rollenverhalten des einzelnen Gruppenleiters und seiner Verkaufsmannschaft. Es ist denkbar, in einem weiteren Projekt einen strukturalen Ansatz zu wählen und die Vertriebsstruktur zu verändern. Das heißt, Gebiete zu vergrößern, Key Account Management voranzutreiben, strategisches Kundenmanagement intensiv durchzuführen. Das bedeutet allerdings auch eine Veränderungsbereitschaft im Top-Management zu initiieren.

Darüber hinaus gibt es aber auf der bisherigen Projektebene eindeutige Ergebnisse:

  1. Durch die Entwicklung geeigneter Gesprächsstrukturen ist es den Verkäufern leichter gefallen, Termine bei Neukunden zu bekommen
  2. Es ist eindeutig zu beobachten, dass die Verkäufer versuchen, mehr Informationen über den Kunden und sein Geschäft zu bekommen. Möglicherweise ist dies ein verzerrtes Bild, denn in vielen Situationen haben die Verkäufer gebeten, einen Betriebsrundgang – so weit es möglich war – vorzunehmen, um sich mit dem Vertrieb vertraut zu machen.
  3. Bei rd. 60% der Verkäufer wurde deutlich, dass sie versuchten, dem Erfolgsdruck (Auftrag schreiben) zu entgehen und sich in Geduld zu üben, um in der geeigneten Situation Produktvorschläge zu unterbreiten.

 

Als Resümee aus dem Projekt wurde ein weiteres Vorgehen mit dem Unternehmen vereinbart mit dem besonderen Schwerpunkt:

  • Verstärkt bei ausgewählten Kunden auf der Beziehungsebene zu arbeiten, um auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Die vier klassischen Ps des Marketings sind bei fast allen Wettbewerbern vergleichbar ausgeprägt. Hier gewinnt künftig derjenige, der Systeme anbietet, die eine hohe Hürde für Wettbewerber darstellen oder wo auf der Beziehungsebene eine enge Beziehung zwischen Kunden, Verkäufer und Unternehmen besteht.

 

Aufgrund dieser Erkenntnis wird das Projekt weitergeführt, allerdings mit einer anderen Fokussierung:

  • Strategisches Kundenmanagement
  • Kluger Aufbau von Kundenbeziehungen
  • Vermeiden von Vertriebsfallen

 

Darüber hinaus sollen die Gruppenleiter stärker helfen, Wege zu modellieren, mit denen die Verkäufer aufgrund strategischer Überlegungen in den Kundenkontakt treten.

 

 

Rollenveränderung und Aufnahme neuer Rollen

Wie zu erwarten war, hat sich abgezeichnet, dass die Gruppenleiter in zwei neue Rollen hineinwachsen müssen:

 

strategischer Kopf für die Bearbeitung des Gebietes

 Wurde die Kundenauswahl, Kundenbesuche und Geschäftsanbahnung bisher den Verkäufern überlassen, so tritt an diese Stelle viel stärker ein strategisches Kundenmanagement, um gezielt auf selektierte Kunden zuzugehen. Innerhalb des Unternehmens ist strategisches Kundenmanagement keine Neuheit; wurde aber bisher nur in geringem Maße praktiziert. Das bedeutet, dass der strategische Kopf demnächst die Ziele bestimmt und mit den Verkäufern gemeinsam die Wege modelliert.

 

Die Führungskraft ist verantwortlich für die Entwicklung seiner Mitarbeiter

und nimmt diese Rolle in unterschiedlichem Maße wahr. Die Entwicklungsrolle muss neu definiert werden und das Drehbuch wird sich wesentlich verändern, denn hier wird der Ansatz gewählt, permanentes Coaching der Mitarbeiter im Feld zu praktizieren. Das Ganze begleitet sich durch einen Coachingpass, in dem die Lern- und Verhaltensfortschritte der einzelnen Verkäufer fixiert werden. Für diese Rollen und Rollenveränderungen wird das Drehbuch neu geschrieben werden müssen und es ist sichtbar, dass nicht alle Mitarbeiter veränderte Drehbücher gestalten möchten.

 

Ausblick:

Die nächsten Schritte werden sein, die Gruppenleiter weiterhin zu coachen, wobei sich die Coachingaufgaben auch ein Stück weit verändern. Es geht darum, die Drehbücher für die neuen Rollen zu gestalten und zu verändern. Dazu kommt ein weiterer Aspekt – sie in ihren Führungsaktivitäten zu unterstützen und auch hier die Rollen zu verändern. Der Erfolg des gesamten Außendienstes ist auch angesichts des Gleichklangs der vier Ps mit den Wettbewerbsunternehmen sehr stark davon abhängig, inwieweit es gelingt, die Beziehung zu Zielkunden auf- und auszubauen. Das bedeutet aber auch, dass konsequentes Handeln im Feld vor Ort bei den Kunden geschehen muss.

Hier müssen die Führungskräfte in ihren Führungsfunktionen verstärkt werden und sie müssen mithelfen, die Mitarbeiter zu Problemlösern zu entwickeln.

  

Zusammenfassung:

Es kann die Behauptung aufgestellt werden, dass Akteure, die Coachings durchführen, das legitimiert ist durch die Unternehmensleitung a priori als Beeinflusser gelten. Den Coaches wird durch das abgestimmte Konzept eine Rolle übergeben (role taking), wobei das Unternehmen erwartet, dass diese Rolle auch durch die Coaches wahrgenommen wird. Die einzelnen gecoachten Mitarbeiter erleben das Rollenverhalten (role making) und geben ihrerseits Rückmeldung in das Unternehmen, wie gut oder schlecht die Coaches ihre Rolle wahrnehmen. Das führt zu einer permanenten Kontrolle der Coaches, die auch über die Coachees beeinflusst wird. Sind es leistungsstarke Coaches, die ihre Rollen beherrschen und klug wahrnehmen, so ist in der Regel gewährleistet, dass die Coaches mit dem Unternehmen stärker zusammenwachsen und künftig mögliche Aufgaben auch hinsichtlich von umfassender Organisationsentwicklung wahrnehmen. Das haben wir in anderen Unternehmen schon erlebt.

Der Auftraggeber (das Unternehmen) misst die Coachingleistung nicht zuletzt am Veränderungswillen und am Veränderungsgeschehen. Sehr häufig werden Kennzahlen herangezogen, um auch die Wirksamkeit der Coachings hinsichtlich des verbesserten Ergebnisses nachzuweisen. Diese Sichtweise lässt völlig außer Acht, dass die Durchsetzungsfähigkeit in der Führungsaufgabe liegt und nicht bei den Coaches.

Die Coaches können die Drehbücher der wahrgenommenen Rollen verändern bzw. für neue Rollen mitgestalten. Sie sind aber nicht in der Lage, sie dauerhaft durchzusetzen und daran zu erinnern, welche Aufgaben in den Drehbüchern stehen und die einzelnen Mitarbeiter an diesen Aufgaben zu messen. Das macht auch die Legitimation für die Coachings schwerer und kann in der Regel besser über den qualitativen Weg vermittelt werden. Dabei ist allerdings festzustellen, dass insbesondere bei Einzelpersonen, die veränderungswillig sind und über genügend Rollendistanz verfügen, langfristig sehr gute Ergebnisse evoziert worden sind. Die jahrelange Erfahrung im Umgang mit Coachings aber auch mit Change-Management hat uns gelehrt, dass es sich lohnt, auf das obere Drittel einer Mannschaft zu setzen, das sich in der Regel zu den leistungsstärksten entwickelt bzw. weiterentwickelt. Ein Phänomen ist hierbei zu beobachten; denn wenn sich Coachees auf das Abenteuer Coaching und Veränderung einlassen, entstehen sehr häufig engere Verbindungen und Beziehungen zwischen Coach und Coachee, die sich auch teilweise zu Geschäfts-Freundschaften herausbilden. Es passiert dann auch häufiger, dass Coachees auch nach langen Begegnungspausen anrufen und um persönlichen Rat bitten für ihren weiteren beruflichen Werdegang. Auch hier wird der Muliplikatoreneffekt sichtbar, denn diese Art von Führungskräften wird in der Regel Karriere machen und in neuen Funktionen ihre externen Coaches häufig mitnehmen.

Es wird ebenfalls sichtbar, dass möglicherweise interne Beeinflusser sehr stark geworden sind und Mitarbeiter durchaus hindern, ihre Jobs effizient wahrzunehmen. Auch hier versuchen Unternehmen häufig, einen Gegenpart durch externe Coaches und Berater zu installieren. Der Vorteil von Beratern und Coaches ist die in der Regel klare Rollenverteilung, klare Aufgabenpakete, ein transparentes Vorgehen. Der Vorwurf von Manipulation wird manchmal erhoben, hat allerdings auch keine Grundlage, denn erhoben wird er sehr häufig von Mitarbeitern, die Veränderungen nicht wollen. Das wird manchmal auch als „Waffe“ von Betriebsräten oder Personalräten praktiziert.

Die Initialisierung von Veränderungen und Beeinflussung geschieht häufig über das Management eines Unternehmens; die Wege, um Ziele zu erreichen, müssen dann die externen Berater und Coaches modellieren und gemeinsam mit den zu coachenden Mitarbeitern und Führungskräften gehen. Daraus entstehen veränderte oder auch neue Rollen für einzelne Mitarbeiter.

Der gemeinsame Weg kann, wenn wenig Transparenz vorhanden ist, sehr schwierig sein. Wenn eine hohe Transparenz über die unterschiedlichen Rollen vorhanden ist, kann es sehr viel Spaß und Freude bringen Menschen zu beeinflussen, so dass diese neue Wege beschreiten und sich selbst entwickeln.

 

Ulrich Krause, Wirtschaftspädagogisches Institut Hannover. WPI GmbH Hannover

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